Estriol

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Estriol, auch Östriol genannt, ist ein weibliches Geschlechtshormon, das zur Gruppe der Östrogene gehört.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Estriol?

Estriol bindet sich an Rezeptoren im Zellkern und regt die Zellen zur Produktion verschiedener Proteine an. Dadurch werden zahlreiche körperliche Vorgänge in Gang gesetzt und reguliert.
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Estriol ist ein Hormon. Es gehört zu den natürlichen Östrogenen. Im Vergleich zu den anderen Östrogenen (Estradiol und Estron) zeigt das Estriol jedoch nur eine relativ schwache östrogene Wirksamkeit. Die östrogene Wirkung ist nur etwa 1/10 so groß wie die Wirksamkeit des Estradiols. Östrogene wie das Estriol sind die wichtigsten weiblichen Sexualhormone.

Sie gehören zur Klasse der Steroidhormone und werden überwiegend in den Eierstöcken, im Gelbkörper und zu gewissen Anteilen auch in der Nebennierenrinde produziert. Während der Schwangerschaft erfolgt die Produktion auch in der Plazenta. Auch Männer verfügen über Estriol. Bei ihnen wird es in kleineren Mengen im Hoden gebildet. Alle Estrogene besitzen als Grundgerüst das sogenannte Estran (13β-Methyl-gonan). Die Isolierung und Strukturbestimmung der Östrogene gelang erstmalig dem deutschen Chemiker Adolf Butenandt im Jahr 1929.

Funktion, Wirkung & Aufgaben

Estriol bindet sich an Rezeptoren im Zellkern und regt die Zellen zur Produktion verschiedener Proteine an. Dadurch werden zahlreiche körperliche Vorgänge in Gang gesetzt und reguliert. Östrogene sind an der Steuerung des weiblichen Zyklus beteiligt. Sie sorgen dafür, dass der Eifollikel in den Eierstöcken heranreift.

Ebenso beeinflussen Östrogene den Zustand der Gebärmutterschleimhaut. Durch Östrogene baut sich die Gebärmutterschleimhaut auf, sodass sich die Eizelle dort nach der Befruchtung einnisten kann. Auch das Wachstum des Brustgewebes wird durch Estriol beeinflusst. Estriol hemmt den Knochenabbau durch eine Deaktivierung der Osteoklasten und erhöht zeitgleich die Konzentration des HDL-Cholesterins. HDL-Cholesterin wirkt sich positiv auf die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems aus. Estriol ist bekannt für seine positive Wirkung auf die Schleimhäute.

Durch Estriol werden die Schleimhäute im Urogenitaltrakt, im Darm und in den Gelenken widerstandsfähiger gegenüber Bakterien, Viren und anderen Mikroorganismen. Auch die Wundheilung nach Verletzungen oder Operationen kann durch Estriol beschleunigt werden. Frauen in den Wechseljahren erhalten von ihrem Arzt häufig Estriol. Indikationen für den Einsatz von Estriol sind bakterielle Vaginalentzündungen, Osteoporose, Hautatrophien im Genitalbereich, häufige vaginale Infekte, Harnwegsinfektionen und Harnwegsinkontinenz.

Auch bei trockener Vaginalschleimhaut, Juckreiz und Brennen im Intimbereich und bei abnormalem Ausfluss aus der Scheide kann Estriol hilfreich sein.

Bildung, Vorkommen, Eigenschaften & optimale Werte

Der Großteil der Östrogene und damit auch der Großteil des Estriols wird in der sogenannten Ovulationsphase sezerniert. Die Ovulationsphase ist die Phase des Eisprungs. Generell sind Östrogene die dominierenden Hormone in der ersten Zyklushälfte. Die Produktion der Hormone erfolgt in den Thekazellen und in den Granulosazellen.

Während der Schwangerschaft werden Östrogene auch in der Plazenta produziert. Der Syntheseweg des Estriols nimmt seinen Ausgangspunkt beim Cholesterin. Über das Pregnenolon erfolgt ein weiterer Umbau in 17-OH-Pregnenolon oder in Progesteron. Hier teilt sich der Syntheseweg. Aus 17-OH-Pregnenolon entsteht DHEA-S, dann DHEA und in der Folge Androstendion oder Androstendiol. Aus Androstendion kann mithilfe des Enzyms Aromatase Estron gebildet werden. Erst im folgenden Syntheseschritt entsteht das Estriol.

Aus Testosteron entsteht zunächst ebenfalls mithilfe der Aromatase Estradiol. Aus Estradiol kann Estriol gebildet werden. Der Syntheseweg über das Progesteron ist etwas schneller. Hier entsteht aus dem Progesteron über eine Zwischenstufe Androstendion oder Testosteron. Ab diesem Schritt gleicht der Syntheseweg dem Weg über das DHEA. Die Umwandlung von Androstendion und Testosteron in Östrogene erfolgt zu einem großen Teil im Fettgewebe. Die Normwerte im Serum liegen zwischen 20-40 pg/ml.


Krankheiten & Störungen

Während in der Schwangerschaft die Estriolspiegel rasant ansteigen, zeigt sich ein Mangel an Estriol vor allem in den Wechseljahren. Der Hormonsyntheseweg des Estriols zeigt, warum ein Estriolmangel im Hormonsystem besonders häufig zu beobachten ist. Estriol steht im Syntheseweg an letzter Stelle.

Wenn Cofaktoren, die zur Umwandlung der vorhergehenden Hormone nötig sind, fehlen oder wenn generell ein Hormonmangel vorliegt, ist stets das Estriol betroffen, da es das letzte und damit schwächste Glied in der Kette ist. Weitere Ursachen für einen Mangel an Estriol sind Schwächen des Eierstocks oder Nebennierenschwächen. Auch das Burnout-Syndrom kann mit niedrigen Hormonspiegeln einhergehen.

Ein Estriolmangel kann verschiedene Beschwerdebilder hervorrufen. So zeigt sich häufig ein Estriolmangel bei vermehrter Infektanfälligkeit, rezidivierenden Blasenentzündungen, Gelenkproblemen, Schwindel, Tinnitus und Verdauungsbeschwerden. Auch andere chronische Schleimhautprobleme wie beispielsweise trockene Augen, unklare Verdauungsprobleme oder trockene Vaginalschleimhäute können auf einen Estriolmangel hinweisen.

Ein zu hoher Estriolspiegel spielt nur im Rahmen einer Östrogendominanz eine Rolle. Eine Östrogendominanz ist ein gestörtes Verhältnis zwischen den Geschlechtshormonen Östrogen und Progesteron. Dabei muss bei einer Östrogendominanz nicht zwingend der Östrogenspiegel erhöht sein. Auch niedrige Estriol- und Estradiolspiegel können zu einer Östrogendominanz führen, wenn das Progesteron sehr niedrig ist. Die Auswirkungen einer Östrogendominanz sind sehr vielfältig. Ein bekannter Symptomenkomplex, der bei einer Östrogendominanz entsteht, ist das Prämenstruelle Syndrom (PMS). Dabei kommt es wenige Tage vor der Menstruation zu verschiedenen körperlichen und psychischen Beschwerden.

Typisch sind Wassereinlagerungen, Überempfindlichkeit bis hin zu Depressionen, Schmerzen und Heißhunger. Auch Wechseljahrsbeschwerden können durch eine Östrogendominanz hervorgerufen werden. Ferner kann eine Estrioldominanz Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Schwindel, Konzentrationsstörungen, Endometriose, Unfruchtbarkeit und Myome zur Folge haben.

Auch andere Teile des Hormonsystems werden in Mitleidenschaft gezogen. So können im Rahmen der Östrogendominanz Schilddrüsenfunktionsstörungen, Störungen der Blutzuckerregulierung und Störungen der Nebenniere auftreten. Typische Symptome sind zudem Heißhunger auf Süßes, vermehrtes Bauchfett und Gelenkbeschwerden.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Kleine, B., Rossmanith, W.: Hormone und Hormonsystem. Lehrbuch der Endokrinologie. Springer Verlag, Berlin 2013
  • Vieten, M.: Laborwerte verstehen leicht gemacht, Trias, Stuttgart 2009

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